Leben in Irland und Deutschland – Sabines Vergleich

IMG_0414Leben in Irland und in Deutschland – Die kleinen Unterschiede für mich

(aus Sabines Gedanken: Irland)

Denke ich an Irland, denke ich zuerst an das Wetter. Nirgends habe ich in wenigen Stunden Regen, Nebel, Sonne und/oder wieder Regen erlebt. Sonnenbrille und ein Taschenregenschirm sollte stets in der Handtasche mitgeführt werden.


Denke ich an Irland, so habe ich immer dieses grün vor Augen. Wie kann ich es beschreiben: Grün, so grün, so sattgrün.


Denke ich an Irland, so schwärme ich von der Nähe zum Strand. Erreiche ich heute im 15km Radius gerade die Reutlinger Stadtmitte, so erreichte ich damals im 15km Radius bereits den Strand.


Denke ich an Irland, so spüre ich den Wind in den Haaren, rieche das Meer, spüre die Gelassenheit, habe das „You´re welcome“ im Ohr.


Denke ich an Irland, denke ich an wunderschöne Ruinen, stundenlange Spaziergänge über Friedhöfe mit intensiven Betrachtungen der keltischen Kreuze.


Denke ich an Irland, so weiß ich, dass krank sein und alt werden ein Luxus ist.


Denke ich an Irland, denke ich an Nächte, in denen ich auf dem Rücken im Gras liegend in den Sternenhimmel schaute. Nie wieder sah ich so viele Sterne.


Denke ich an Irland, so weiß ich, dass ich in der Erinnerung sicherlich einiges verkläre.


Denke ich an Irland, erinnere ich mich, dass die Berge in Wirklichkeit nur eine größere Ansammlung von Hügeln sind. Die Wicklow Mountains sind an ihrer höchsten Stelle, dem Lugnaquilla 925m hoch. Zum Vergleich, die Zugspitze misst 2.962 m.


Mit solchen Vergleichen könnte ich nun Seiten füllen. Doch wen interessiert es, dass Irland mit seinen 4,7 Mio. Einwohner sich mehrmals in Deutschland verstecken könnte? Für mich definieren sich die Unterschiede vorrangig im miteinander. In Irland ist es üblich in langen Schlangen anzustehen. Ob zB. am Taxi-Stand oder am Bankautomaten. Nicht einmal erlebte ich es, dass darüber geschimpft oder gejammert wurde. Man steht halt an und nutzt die Zeit eher zum gemeinsamen Small Talk, statt zu lamentieren. In Deutschland wird häufig gemosert, wenn an der Supermarktkasse mehr als zwei Menschen in der Schlange stehen. Falls möglich, wird doch schnell darum gebeten, eine weitere Kasse zu eröffnen.

Apropos einkaufen. Wann immer es sich anbietet, wird im Dienstleistungssektor ein „You´re welcome“ eingeflochten. Oder auch im alltäglichen Dialog. Kaufe ich ein oder bestelle ich etwas in einem Restaurant, werde ich meist mit „Madam“ angesprochen. Als jemand der Geld ausgibt, fühle ich mich dann ein wenig gebauchpinselt. Schönes Gefühl. Gehe ich in einen Pub und setze mich zu den Einheimischen ans Torf Feuer, so spricht mich niemand blöd an, warum ich mich dazu setze. Die Stühle werden gerückt und das Gespräch begonnen. Meine einzige Schwierigkeit kann dann darin bestehen, dass ich mich erst in den Dialekt hinein hören muss.

Irland verfügt für mich über eine ganz besondere Atmosphäre, die mich einfach im ganzen Land in den Bann zieht, während es mir hier in Deutschland nur in kleinen Teilen passiert. Befinde ich mich hier im Allgäu oder am Bodensee, so sind das für mich Orte der tiefsten Entspannung. Einzelne Orte in einem ganzen Land. In Irland gibt es in den Wicklow Mountains in Glendalough eine alte Klostersiedlung. Betrete ich diese durch die Torbögen, so bin ich eine andere. Alltag und Last liegt hinter mir, eine entspannte Sabine findet den Weg zu sich. So oft ich dort war, so stellte sich der Effekt immer wieder ein. Das Foto dieser Torbögen wurde mein Lieblingsfoto. Es ziert nicht nur meinen SchreibBlog oder mein Facebookprofil, sondern auch den heutigen Beitrag.

Zum Abschluss eines Aufenthaltes gehört es für mich dazu am Kiosk die obligatorische Tüte mit Samen für Glücksklee zu erwerben. So oft ich ihn auch aussäte, er ging mir immer ein.

Eingangs schrieb ich: „Denke ich an Irland, so weiß ich, dass krank sein und alt werden ein Luxus ist.“. Ja, dem ist so. Die Altersvorsorge ist bescheiden, so dass jede Firma ihren Arbeitnehmern einen Pensionsfond anbieten muss und jeder Arbeitsnehmer muss in diesen einzahlen. Bei einem Arbeitgeberwechsel kann dieser Pensionsfond transferiert werden. Das Gesundheitssystem sieht vor, dass jeder Arztbesuch selber bezahlt wird. Ein Beispiel aus meiner Zeit: Besuch beim Arzt, um meine Schilddrüsenwerte testen zu lassen: 35€ Gebühr für den Besuch beim Arzt, 10€ Erschwerniszulage, weil meine Venen nicht so leicht zu finden sind. Meine Blutampullen musste ich dann selber zum Labor bringen. Besprechungstermin der Blutwerte: Es wurde eine erneute Gebühr von 35€ fällig. O.K, dafür sind die Medikamente etwas günstiger. Dementsprechend gehen viele Iren direkt in die Notaufnahme eines Krankenhauses, da dort die Untersuchung kostenlos ist und die Medikamente kostenlos mitgegeben werden. Ein Kollege verbrachte dort mehr als 8 Stunden mit einem offenen Beinbruch, bis er dran kam. Überfüllung wie üblich.

So hatte ich damals eine Zusatzversicherung für um die 70€ abgeschlossen, die eigentlich nur zusagte, dass ich im Fall des Falles auf eine Warteliste kam und bei einem Krankenhausaufenthalt in einem Zimmer mit weniger als 5 Betten aufgenommen werden würde. Apropos krank sein und arbeiten in Irland. Die Diagnose des Arztes steht auf der Krankmeldung. Oft genug steht drauf: „Ill, due to alcohol abuse“. Frei übersetzt: Krank wegen Kater. In Irland lacht ein Vorgesetzter eher darüber als dass deshalb abgemahnt wird. Da im Normalfall ab dem ersten Tag der Krankheit keine Lohnfortzahlung geleistet wird, hat der Arbeitgeber zumindest keine finanziellen Verluste. Tja, das Sozialleben in Irland findet halt vorrangig im Pub und auf dem Golfplatz statt. Golfen ist dort ein sehr erschwinglicher Breitensport.

In Irland habe ich das erste Mal Halloween gefeiert. Verkleidet als Hexe ging es auf die Parade. Die Musik war laut und gut, die Stimmung toll, die Süßigkeiten sammelnden Kinder meist süß und gruselig anzuschauen. Jede Halloweenparty in Deutschland empfinde ich hingegen als gewollt ohne Atmosphäre.

Kulinarisch betrachtet mag die deutsche Küche facettenreicher sein, doch verfügt sie nicht über meine heiß geliebten Scones. Mit clotted cream (Art sehr fettige Sahne) Butter und Marmelade serviert, sind sie ein Gedicht.

Andererseits gibt es in Irland keine Butterbrezel (oder vielleicht inzwischen doch?) oder Kässpätzle.

In diesem Sinne,

Eure Sabine

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