Plus-Size-Interview des Monats

Heute unterhalten wir uns mit einer starken Frau in der Plus-Size-Branche, die nicht nur weiß was sie möchte, sondern auch klar zeigt was sie sich für andere wünscht. Sie versucht Plus-Size-Frauen zu stärken, sie zu stützen und ist in der Curry-Szene schon lange bekannt: Bettina Barth. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Jona überwindet sie nicht nur die Höhen und Tiefen im Alltag, sondern ist auch immer offen für neue Projekte um andere Menschen zu unterstützen, ihnen Mut zu machen und aus ihrer eigenen Erfahrung zu berichten. Freut euch jetzt auf das Interview und schreibt gerne eure Fragen in die Kommentare oder schickt uns eine Nachricht

Liebe Bettina, vielen Dank dafür, dass wir dir heute einige Fragen stellen dürfen. Schon länger verfolgen wir deinen Weg für mehr Selbstliebe und möchten heute gerne mehr über dich erfahren. Wie bist du zum Thema „Selbstliebe“ gekommen?

Ich habe bereits vor fast 20 Jahren mit sozialen Medien angefangen und erst mal wie bei einem Tagebuch ganz normal aus meinem Leben berichtet, später in meiner Jugend bin ich zum Thema Beauty gegangen und irgendwann kam mein persönlicher Bruch mit den sozialen Medien. Ohne meinen Ehemann würde ich ehrlich gesagt nicht online aktiv sein. Wir haben uns vor acht Jahren im FSJ kennen gelernt und zu dem Zeitpunkt war ich nicht in sozialen Medien aktiv, aber mitten in Therapieprozess und Recovery von den Essstörungen Anorexie und Orthorexie und bin damit sehr offen umgegangen. Er hat mich über Wochen und Monate überredet, wieder mit sozialen Medien zu starten, weil er der Meinung war, dass ich da mit vielen Menschen eine Inspiration sein kann, die ähnlich wie ich am Anfang meiner Therapie Probleme damit hatten, Hilfe anzunehmen.

 

Hast du dich schon immer dafür interessiert, andere Menschen in ihrer mentalen Gesundheit zu unterstützen? 

Erst einmal: ich bin Aktivistin und keine Seelsorgerin oder Therapeutin. Und das finde ich auch sehr wichtig zu betonen. Ich habe keine Ausbildung in Richtung Seelsorge oder Therapie, ich biete keine Dienstleistungen an. Das, was ich mit meinem Account mache ist erstens Bildungsarbeit und zweitens Hilfe zur Selbsthilfe in Form von Informationen, um sich selbst Hilfe zu suchen und selbst zu akzeptieren und zu vermitteln, dass es nichts schlimmes ist, Hilfe anzunehmen.

Durch die karitative Arbeit meiner Familie in meiner Kindheit habe ich früh erfahren, dass es oft sehr wenig Wertschätzung gab für Menschen wie meine Mutter, die sich stark karitativ engagiert hat innerhalb von unserer Kirchengemeinde. Ich war auch sehr aktiv in der Kirchenmusik und auch bei den Pfadfindern, wo das Motto ist: Jeden Tag eine gute Tat. Engagiert für andere Menschen war ich zwar, aber nicht im Bereich mentale Gesundheit. In der Region, in der ich aufgewachsen bin, herrscht bis zum heutigen Tage eine sehr große Skepsis bezüglich des Themas mentale Gesundheit und diese Skepsis habe ich tatsächlich auch mitgenommen in mein Leben. Und sie ist auch ein großer Motivator, warum ich angefangen habe, über dieses Thema auf sozialen Medien zu sprechen. Weil ich festgestellt habe, dass es vielen anderen Menschen auch so geht, dass sie glauben, es ist Versagen, Hilfe von anderen anzunehmen.

 

Was bedeutet Selbstliebe für dich und wo beginnt sie? Hat sie ein Ende? 

Selbstliebe ist für mich schlicht die Beziehung zu sich selbst. Und in jeder Beziehung, ob nun familiäre Beziehung, freundschaftliche Beziehung, Liebesbeziehung, geht es um Kommunikation, ein fürsorgliches Verhältnis und Wertschätzung.

Leider haben wir in unserer Gesellschaft ein sehr großes Problem damit, für uns selber da zu sein und oftmals werden wir so sozialisiert, dass uns eingebläut wird, es sei egoistisch, für sich selber da zu sein. Gerade Frauen werden sozialisiert, dass sie sich für andere aufopfern müssen, dass sie bemuttern müssen und damit haben wir in unserer Gesellschaft leider ein großes Problem, denn wer für sich selbst nicht da ist und wer über seinem Limit hinaus sich für andere aufopfert, der wird früher oder später ausbrennen und keine Kraft mehr haben, weder für sich selbst noch für andere. 

Deswegen würde ich sagen: Selbstliebe hat keine Grenzen, Selbstliebe ist Liebe und Liebe ist bedingungslos. Liebe mit Bedingungen ist keine Liebe. Und wenn wir die Beziehung zu uns selber pflegen und uns gegenüber aufmerksam sind, wenn wir unsere Ressourcen/unseren Energiehaushalt kennen und die Akkus regelmäßig aufladen, dann können wir auch viel besser für die anderen Beziehungen in unserem Leben da sein.

 

Wie gehst du mit Kritikern und Mobbern im Internet um und was rätst du anderen, die von Online-Mobbing betroffen sind? Wie oft erhälst du Nachrichten, die „Plussize-Feindlich“ sind und wie gehst du mit diesen Nachrichten um? Wie wirken sich Hater auf mentale Gesundheit aus

Das wird wahrscheinlich viele Leute überraschen, das zu lesen, aber ich habe deutlich mehr mit Menschen zu tun, die mich objektifizieren und sexuell belästigen als mit Menschen, die Hass Kommentare schreiben und es ist generell abhängig von der Plattform, welche Rückmeldungen mich erreichen. Seit einiger Zeit veröffentliche ich meine Videos neben Instagram auch auf TikTok und als YouTube Shorts und ich bemerke, dass mit Abstand die meisten negativen Kommentare schon immer bei YouTube gepostet werden. Früher habe ich mir das sehr zu Herzen genommen. Ich hatte ja bereits gesagt, 2008-2010 habe ich auf YouTube Videos zum Thema Beauty gemacht und habe genauso mit einer Kleidergröße 38 und Anorexie negative Kommentare über meinen Körper bekommen und schlimme sexistische Beleidigungen von meistens männlichen Kommentatoren. 

Ehrlich gesagt beeinflussen mich ich die allermeisten Kommentare nicht wirklich. Das hat keinen negativen Einfluss auf meine Gesundheit, denn ich weiß, das sind fremde Menschen, die ein Bild von mir sehen. Diese Menschen projizieren ihre negativen Gedanken, Vorurteile und Ängste auf mich und warum sollte ich die Probleme, die sie dort formulieren, zu meinen eigenen machen? Das, was sie da schreiben, hat nichts mit mir zu tun. Denn diese Menschen kennen mich nicht, sie kennen meine Geschichte nicht und ich kann definitiv da drüber stehen. Ich mache es sogar so, dass ich öfters einige Hass Kommentare herausnehme im Bereich Fettfeindlichkeit und unter dem Story Highlight „Dickenhass“ zeige. Es ist auffällig, wie lächerlich und fachlich falsch diese Kommentare oftmals sind.

Einzig und allein wenn meine Mutter oder mein Mann, die einzigen Personen aus meiner Familie, die ich im Internet öffentlich zeige, angegriffen werden, ist ein wunder Punkt. Da werde ich wütend. Wenn eine Person wirklich sehr krass beleidigt, dann blockiere ich oder ich habe auch schon die ein oder andere Anzeige im Laufe der Jahre getätigt.

Aber ehrlich gesagt ist das gar nicht so viel Hass, wie man vielleicht glaubt. Vielleicht würde es anders aussehen, wenn ich deutschlandweit über das Fernsehen bekannt wäre oder schon mal mit den öffentlich-rechtlichen Sendern zusammengearbeitet hätte. Aber selbst nach einem Artikel im Tagesspiegel war zumindest das, was auf meinem Profil angekommen ist, durchweg positiv.

 

Wie kann man sicher mit sozialen Medien umgehen, ohne Selbstwert zu verlieren oder Selbstzweifel zu entwickeln?

Wie auch bei dem Thema Selbstliebe gibt es leider nicht das eine Zaubermittel.

Für den Anfang würde ich aber erst einmal das empfehlen:

Mach einen digitalen Frühjahrsputz innerhalb deiner Apps und innerhalb der Menschen, denen man auf sozialen Medien folgst.  Alles rausschmeißen, was einem schlechte Gefühle bereitet. Ob nun Fitness Rezepte, Menschen mit unrealistisch schlanken Körpern, reduzierten Gesichtern oder Filtern, Themen, die einen bedrücken.

Zweitens sich einen Wecker stellen und sich eine feste soziale Medien Zeit machen. Ich habe auch tatsächlich einmal eine Zeit morgens und einmal eine Zeit abends. Und weil ich meistens mit YouTube Pomodoro Technik Videos arbeite, komme ich auch nicht in Versuchung, zwischendurch an mein Handy zu gehen.

 

Wie stehst du zu Mode und Imagefotos die wir jeden Tag sehen und die uns suggerieren, dass alle Dünn und perfekt aussehen, was rätst du besonders jungen Frauen wie sie am besten damit umgehen können (Viele vergleichen sich täglich mit den Models aus den Advertises)?

Ich finde es ehrlich gesagt schade, dass wir noch immer in „normalen“ Modemagazinen, also anderen Zeitschriften als The Curvy Magazine, viel zu wenig Menschen in großen Größen sehen und das, obwohl 50 % der Frauen in Deutschland Größe 42 und größer tragen. Ich habe gerade erst heute eine Besprechung mit zwei anderen wunderbaren Plussize Koleg*Innen auf Instagram gehabt – Dot von @largerliving (TherapeutIn/Certified Intuative Eating Counselor) und Jenny von @gymiverse, die gewichtsneutrales Training in ihrem digitalen Fitness Center mit wöchentlich neuen Videos anbietet. Wir haben festgestellt, dass allein schon unsere Repräsentation als Menschen in einer großen Kleidergröße an Orten für Sport oder an anderen Orten schon einen Unterschied bringt in Sachen Repräsentation. Wie wäre es dann also, wenn es noch mehr Repräsentation im Bereich Modemagazinen gäbe? Und nicht nur in dem Bereich, auch in vielen anderen Bereichen, beispielsweise im Bereich Fitness fehlt es noch absolut an Models in großen Größen hier zu Lande.

 

Welche Projekte hast du für die nächste Zeit geplant?

Ich bin gerade in den letzten Zügen, ein Verzeichnis für Orte für diskriminierungsfreien Sport anzulegen. Auf der Seite curvolution.de möchte ich nicht nur dieses Verzeichnis schaffen, sondern auch praktische Tipps zum Thema gewichtsneutrale und diskriminierungsfreie Gesundheitsförderung geben. 

Im Laufe dieses Jahres werde ich wieder studieren gehen und möchte mich dort noch einmal intensiver mit Kommunikation im digitalen Raum und Hassrede auseinandersetzen. In meinem Aktivismus habe ich einige Fragen nicht ausreichend auf Grundlage des aktuellen Forschungsstands beantworten können und da dachte mir: Wenn es kein anderer gemacht hat, dann möchte ich diesen Fragen wissenschaftlich nachgehen. Denn ich habe vor einigen Jahren Germanistik und Philosophie studiert und musste das leider wegen Stalking und einer dadurch entstandenen Krise der psychischen Gesundheit abbrechen. Das war einige Jahre vor Me Too und ich wurde leider nicht sonderlich ernst genommen – deswegen ist es schön zu sehen, dass das Thema inzwischen sehr viel ernster genommen wird von Seiten von Polizei und Gerichten.

Ich träume schon länger davon, die Illustrationen, die man auch ab und zu auf meinen Profilen sieht, als Postkarten oder Poster zu verkaufen. Gerade suche ich nach einer Möglichkeit, um qualitativ und nachhaltig zu drucken.

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