Schätzen Sie Ihren Körperbau richtig ein?

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Interview mit Stephanie Grupe, die Modeflüsterin, www.modefluesterin.de

 

Frau Grupe, Sie sind „die Modeflüsterin“ und beraten starke Frauen (passt ja perfekt zu unserem Magazin). Was bedeutet es für Sie, eine starke Frau zu sein?

Beim Motto der Modeflüsterin „Stil für starke Frauen“ habe ich das Wort „stark“ ganz bewusst sehr doppeldeutig gewählt. Es bezieht sich zum einen auf die typischen Körperformen einer Frau, mit ihren von der Natur gegebenen stärkeren und schlankeren Zonen, die bei jedem Figurtyp an einer andren Stelle angesiedelt sind. Zum anderen ist für mich eine Frau dann stark, wenn sie ihr Leben aktiv gestaltet, weiß wer sie ist und was sie will.

Frauen müssen heute sehr stark sein. Denn ihnen wird ständig in den Medien und Werbung gesagt, wie sie vermeintlich sein sollten, was sie kaufen und was sie anziehen sollten. In unserer Gesellschaft wird für Frauen sehr viel Druck aufgebaut. Sie sollen möglichst jung und möglichst schlank sein und dem gerade gültigen Schönheitsideal möglichst nahe kommen. Sie sollen perfekte Mütter, versierte Hausfrauen, knallharte Geschäftsfrauen und tolle Sex-Göttinnen sein – natürlich alles möglichst gleichzeitig. Will eine Frau aber ihren eigenen Weg gehen, muss sie ganz oft nein sagen und darf sich nicht an dieser Erwartungshaltung messen. Sie trifft ihre eigenen Entscheidungen und legt ihre eigenen Maßstäbe fest – auch in der Mode. Das erfordert viel Stärke.

Schätzen Sie für uns: Wie viele Kleidungsstücke hat eine modebewusste Frau wie Sie in ihrem Kleiderschrank?

Das ist bestimmt weit weniger als Sie jetzt denken. Ich habe vor einiger Zeit damit begonnen, von Masse auf Klasse umzustellen. Ich kaufe nur wenige, hochwertige Stücke und habe in den letzten Jahren meinen Kleiderschrank bestimmt um die Hälfte reduziert – wenn das reicht. Ich schätze, ich habe von jedem Kleidungssegment derzeit rund 20 Exemplare: 20 Blusen und Tops, 20 T-Shirts, 10 Stoffhosen und 10 Jeans, 20 Röcke und Kleider und ca. 20 Strickjacken und Pullover. Dazu kommen noch rund 10 Blazer sowie 10 Jacken und Mäntel. Wobei dies für meine gesamte Garderobe, für Sommer und Winter, gilt.

Wäre ich noch radikaler, könnte ich daraus wahrscheinlich noch einmal ein Drittel entnehmen, ohne in Bekleidungsnöte zu kommen. Und während ich dies für unser Interview aufschreibe, ist mir sehr bewusst, in welchem Überfluss ich auch mit meinem reduzierten Kleiderschrank-Inhalt immer noch lebe. Dafür bin ich sehr dankbar.

Wie viel Zeit brauchen Sie täglich um ein passendes Outfit auszuwählen?

Für mein Jeden-Tag-Outfit greife ich einfach nach Lust und Laune in den Kleiderschrank und schon ist ein Outfit fertig – ich würde sagen, so ca. in 3 Minuten. Das hängt damit zusammen, dass ich zu bestimmten Anlässen eine Art Uniform habe, die ich immer wieder – mit kleinen Variationen – trage. Ich muss eigentlich nur entscheiden, auf welche meiner Basis- und Akzent-Farben ich spontan Lust habe und wie das Wetter wird.
Für Anlässe, die nicht so häufig vorkommen oder bei denen ich besonders gut aussehen will, bin ich in rund 10 Minuten fertig. Dann kann es sein, dass ich noch einmal ein Kleidungsstück austausche, kurz noch verschiedene Schuhe und Accessoires teste oder mich nicht zwischen zwei eigentlich gleich guten Outfits entscheiden kann. Es ist eher die Qual der Wahl, die mich Zeit kostet.

Aber im Prinzip mag ich es schlicht und unkompliziert. Ich bin eine Anhängerin des Easy Chic: Wenige, aber hochwertige und zeitlose Kleidungsstücke kombiniere ich mit einem Highlight – entweder ein besonderes Kleidungsstück, ein auffälliger Schuh, ein toller Schal oder ein besonderes Schmuckstück. Mehr brauche ich nicht, um mich wohl zu fühlen.

Auf Ihrer Seite habe ich mit großem Interesse den Ratgeber „Körper-Proportionen – So finden Sie heraus, welcher Figurtyp Sie sind“ gelesen. Scheitern Frauen oft an der Frage, welchen Figurtyp sie haben?

Anhand der vielen Leser-Fragen, die ich zu diesem Thema erhalte, kann ich sagen: Ja, viele Frauen haben Probleme, ihren eigenen Körperbau richtig einzuschätzen. Daher habe ich erst kürzlich noch einen Beitrag veröffentlicht, der ein bisschen mehr Klarheit bringen soll. Aber es bleibt schwierig und zwar aus folgenden Gründen:

Zum einen hat jeder Mensch in seiner Selbstwahrnehmung eine Art blinden Fleck. Wir sind einfach nicht objektiv, denn wir sehen uns ja nicht von außen. Das ist ganz natürlich.
Zum anderen stelle ich sehr oft fest, dass Frauen ihren eigenen Körper oder bestimmte Zonen davon viel zu selbstkritisch sehen. Sie fixieren ihre ganze Aufmerksamkeit nur noch auf diese eine Körperstelle, die dann vermeintlich enorme Ausmaße annimmt. Ein Betrachter hingegen nimmt den Frauenkörper als Ganzes wahr und findet gar keine großen, auffälligen proportionalen Verschiebungen. Er sieht das vermeintliche Problem gar nicht.

Und dann ist es natürlich utopisch, die ganze Vielfalt an Frauenkörpern in nur 5 oder 6 Figurtypen pressen zu wollen. Da gibt es ganz viele Mischtypen und zusätzlich weitere, individuelle körperliche Eigenheiten. Alleine die zusätzlichen vertikalen Proportionen, die in den Figurtypen ja gar nicht abgebildet werden, schaffen eine Fülle weiterer individueller Körperformen.

Die ganze Systematik der Figurtypen ist zwar hilfreich, aber eben nur immer eine erste Annäherung an individuelle körperliche Gegebenheiten.

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Copyright: Stephanie Grupe, www.modefluesterin.de

Ist es ausschlaggebend für die Wahl der passenden Kleidung, seinen eigenen Figurtyp genau zu kennen?

Ich würde sagen, wenn eine Frau ihre Proportionen kennt und weiß, wie sie diese mit Kleidung verändern kann, dann kommt sie schnell zu sehr guten Ergebnissen – speziell wenn es darum geht, schlanker zu wirken oder harmonischere Proportionen herzustellen. Aber das kann nicht das einzige Ziel von Kleidung sein. Der richtige Stil, die richtigen Farben und die zum Anlass passende Kleidung sind weitere Elemente, die wichtig sind. Dazu kommen Faktoren, wie in etwa die Umsetzung eigener ästhetischer Ideale und Vorlieben und die Botschaft, die eine Frau mit ihrer Kleidung senden will. Und schließlich sollte sich eine Frau in ihrer Kleidung einfach wohl fühlen, das Gefühl haben, bei sich selbst angekommen zu sein. Das ist das Allerwichtigste – auch wenn das bedeutet, dass man die vermeintlichen Fashion-Regeln wieder brechen muss.

In Ihrem Artikel erklären Sie sehr gut, wie auch eine Mischung verschiedener Figurtypen möglich ist und in Betracht gezogen werden muss. Wird dies oft außer Acht gelassen?

Ich schaue mir natürlich gerne andere Frauen auf der Straße an und überlege, ob und wie ich ein Outfit verändern würde, damit die Körperproportionen besser berücksichtigt werden. Denn ich finde es einfach schade, wenn Frauen hinter ihrem modischen Potential zurückbleiben, obwohl dies ganz einfach umzusetzen wäre. Aber dann denke ich auch wieder, dass es im Leben doch nicht darum geht, alles zu perfektionieren. Gerade die kleinen Unperfektheiten sind es doch, die uns so einzigartig und liebenswert machen.

Daher hängt es von der jeweiligen Frau ab, ob und was zu tun ist: Ist eine Frau mit ihrer Figur unzufrieden, kann sie die Mode-Tricks für den Proportionen-Ausgleich nutzen, um den vermeintlichen Schwachpunkt auszugleichen. Dazu genügt es, zu erkennen, wo die Proportionen aus dem Gleichgewicht sind und zu wissen, wie sich das modisch etwas korrigieren lässt. Falls eine Frau ein bestimmtes Kleidungsstück gerne trägt, obwohl es figürlich nicht optimal für sie ist, ist das auch in Ordnung. Es kommt immer auf die Prioritäten an, die Frau setzt.

Gibt es modische No-Gos für Y-O-A-H-X Typen? Können Sie uns in einem Satz pro Figurtyp beschreiben, was bei der jeweiligen Form unbedingt vermieden werden sollte?

Das wäre schön, wenn es so einfach wäre… Ich befürchte, dass das in einem Satz nicht zu bewerkstelligen ist. Das Wichtigste ist immer, in den kräftigen Zonen des jeweiligen Figurtyps auf horizontale Linien, helle, kräftige Farben und auffällige Akzente zu verzichten. Genau das sollte die Frau dann dort machen, wo ihre Schokoladenseiten oder schlanken Stellen sind.

Sie beschreiben in Ihrem Ratgeber auch sehr schön, wie wichtig es ist auch auf die Proportionen von Hals, Oberarmen, Beinen, Waden, Fesseln, etc. zu achten. Ich, genauso wie viele Frauen mit mir, beachten diese Körperregionen sicherlich zu wenig bzw. beziehen die Proportionen nicht in die Kleiderwahl ein. Wie wichtig ist es, auch diese Regionen bei der Kleiderwahl zu berücksichtigen?

Das hängt immer davon ab, wie dominant die jeweiligen Körperzonen ausgeprägt sind und wie sehr es die Frau selbst stört. Notfalls würde ich ein paar Fashion-Tricks anwenden, um die Situation zu entspannen. Beispielsweise habe ich bei der Modeflüsterin gerade einen Beitrag veröffentlicht, in dem es um kräftige Waden und Fesseln geht. Denn viele Frauen mit kräftigen Beinen überlegen, ob sie im Sommer überhaupt noch Röcke und Kleider tragen sollten. Spätestens dann ist es Zeit für ein paar Mode-Tricks. Denn eine Frau solle alles tragen können, auf was sie Lust hat. Es gibt immer eine modische Lösung, wie die Proportionen verbessert werden können.

Hierzu ein paar echte Herausforderungen:

Was würden Sie einer Frau mit Y Figurtyp und sehr breitem Hals raten? Was kann man tun und modisch beachten, um nicht oben zu wuchtig und unten zu schmal zu erscheinen?

Diese Frau sollte einen langen, tiefen, schmalen Ausschnitt tragen und darauf achten, dass die Kleidungsstücke an den Schultern eher rund geschnitten sind. Auch sollte sie die dunkelsten Farben des Outfits am Oberkörper, speziell als Jacke oder Blazer – also am äußeren Oberkörper -, tragen und den Oberkörper so lang wie möglich gestalten. Blickpunkte setzt die Frau dann ab Hüfte abwärts. Und sie sollte darauf achten, dass dort irgendwo noch eine zweite, etwas voluminösere Zone für Ausgleich schafft – also in etwa ein leicht ausgestelltes Hosenbein, ein Glockenrock oder einfach etwas derbere Schuhe mit einem höheren optischen Gewicht.

Was kann Frau tun, wenn sie vergleichsweise breite Fesseln hat?

Dazu gibt es gerade 14 Tipps auf dem Blog der Modeflüsterin. Vor allem die richtigen Schuhe sind da ganz wichtig…

Was raten sie schlanken Frauen mit…
…kräftigen Oberarmen?

Keine ärmellosen Kleider oder Spaghetti-Träger tragen, sondern entweder etwas weiter geschnittene Kurzärmel oder 3/4-Ärmel.

…kräftigen Oberschenkeln?

Wenn die Frau ansonsten schlank ist, dann sind Röcke mit etwas mehr Volumen ab der Hüfte abwärts, aber auch angereihte oder am Bund in Falten gelegte, weit schwingende Röcke die beste Lösung. Bei Hosen sind lange, gerade geschnittene Hosen meist optimal, solange der Stoff an den Oberschenkeln locker, aber nicht zu weit und nicht zu eng sitzt. Je nachdem welche sonstigen Proportionen vorliegen, könnten auch Bootcut-Schnitte vorteilhaft sein.

Was raten sie molligen und starken Frauen mit…
…hervorstehender Bauchpartie aber sehr schmalen Beinen?

Die Mitte kaschieren, vertikal teilen und strecken. Gleichzeitig die schmalen Beine mit dekorativen Details schmücken. Dazu sind offen getragene Longjacken oder Couture-Mäntel geeignet, aber auch lockere drapierte Wickeleffekte an Oberteilen oder Tops mit Empire-Linie. Am Unterkörper erledigen schmale, gemusterte Hosen und Röcke und auffällige Schuhe den Job.

…schmaler Taille und schlankem Rücken, aber hervorstehendem und breitem Po?

Breite Pos können halbiert und/oder gut verpackt werden. Wenn Sie ein Top oder Blazer tragen, der den Po zur Hälfte verdeckt und einen abgerundeten Saum hat, erscheint er schon wesentlich kleiner. Wenn die Rückseite der Hose durch Passen und flache Taschen weiter strukturiert wird, wirkt der Po ebenfalls etwas kleiner. Bei Röcken ist es wichtig, dass diese vom breitesten Punkt des Pos locker und gerade nach unten fallen und den Po nicht zu eng umschließen – sonst droht Wurstpellen-Alarm! Obwohl: Es gibt da eine sehr berühmte Persönlichkeit im Trash-TV, die nur aufgrund ihrer „hervorstechenden“ Eigenschaften so berühmt wurde…
Im Übrigen ist gar nichts gegen einen prallen, breiten Po einzuwenden. In einigen Kulturen gilt dieser sogar als absolutes Schönheitsideal.

Hat das Gewicht wirklich keinen Einfluss auf den Figurtyp? Können unsere Pölsterchen nicht vielleicht fälschlicherweise einen anderen Figurtyp als eigentlich vorhanden zeichnen?

Je mehr Pölsterchen wir haben, desto schwieriger wird es, den eigentlich vorhandenen Knochenbau herauszufinden. Wenn beispielsweise eine Frau mit H-Figur in der Menopause die typischen Pölsterchen an Bauch und Taille bekommt, könnte sie leicht als O-Typ bezeichnet werden. Das Gleiche gilt für einen X- und Y-Typ mit mehr Bauch- und Taillen-Speck. Da muss man genau hinsehen. Bei X-Typen ist es beispielsweise trotz Bauch meist vorteilhafter, dennoch die Taille zu akzentuieren. Nur ein echter O-Typ kommt wirklich mit der Empire-Taille zurecht. Und ein Y-Typ mit Bauch wird weder das eine noch das andere machen können, sondern sollte seinen Oberkörper möglichst lange und gerade stylen. Wenn der Figurtyp nicht mehr eindeutig zu erkennen ist, hilft oft nur Ausprobieren, was am besten funktioniert.

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Copyright: Stephanie Grupe, www.modefluesterin.de

Was wird in Hinblick auf die körperlichen Proportionen Ihrer Meinung nach am meisten unterschätzt?

Oft lese ich, dass die Kleidung an den Körperstellen, die besonders kräftig sind, besonders weit geschnitten sein soll. Das ist nicht nur ein großer Mythos, sondern bewirkt genau das Gegenteil: Das Volumen an besagter Stelle wird noch mehr akzentuiert. Meist ist weder zu enge, noch zu weite Kleidung genau richtig und ein bisschen Volumen an einer anderen Stelle zum proportionalen Ausgleich.

Und zum Schluss: Was möchten Sie unseren Leserinnen mit auf den Weg geben?

Der erste Schritt zu einem tollen, individuellen Stil ist Selbstliebe. Dazu gehört es, seinen Körper so zu akzeptieren, wie er von der Natur erschaffen wurde. Es geht darum, diesen einen Körper, den wir haben, zu ehren, zu pflegen und dankbar dafür zu sein, dass er gesund und funktionsfähig ist. Unser Körper lässt uns all das tun, was wir im Leben wollen. Unser Körper hat es verdient, dass wir ihn mit Bedacht kleiden und dabei das Beste für ihn wählen, was wir uns leisten können. Vergessen Sie alle Schönheitsideale und konzentrieren Sie sich auf Ihre eigenen Bedürfnisse und Ihre innere Stärke wird nach außen strahlen!

2 Comment

  1. Ich habe mich sehr auf das Interview gefreut, auch weil ich den Blog der Modeflüsterin regelmäßig lesen. Allerdings meine ich, dass die Modeflüsterin bessere und interessantere Fragen verdient hätte… Modetipps im Stakato-Takt abzugeben, das bleibt doch sehr an der Oberfläche. Schade.

    • Danke für deinen Kommentar. Ich denke die liebe Frau Grupe lässt sich bei Zeiten wieder auf ein Interview ein. Schicke uns doch die Fragen, die dich interessieren, dann binden wir sie ein. Grüße, Redaktion Starke Frau

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